Engagement für Flüchtlinge
Wie und warum Flüchtlingen helfen
Es gab ein Aufruf in einer Medizinzeitschrift: Ärzte und medizinisches Personal, also Krankenschwestern und Hebammen, werden für die medizinische Versorgung der Flüchtlinge dringend gesucht. Da hat sich Gerlinde Treptow, pensionierte Frauenärztin gemeldet. Seitdem untersucht sie nicht nur Frauen, sondern auch Kinder und Männer.
Wo arbeiten Sie mit den Flüchtlingen?
In einer Erstaufnahme-Einrichtung. Man bekommt ein Zimmer mit Untersuchungsliegen, einem Schreibtisch und drei Stühlen. Dann müssen ein kleiner Schrank und ein Waschbecken da sein, damit man sich die Hände waschen kann.
Arbeiten Sie wie in einer richtigen Arztpraxis?
Nein. Ich habe keine Geräte da, außer zum Abhören der Lunge oder zum Blutdruck messen... Ich kann keinen Ultraschall machen. Deshalb sind die meisten Patienten enttäuscht. Sie wollen auch mehr Antibiotika haben. Ich kann und möchte aber nicht verschreiben, was sie wollen! Das ist das einzige, womit sie nicht immer einverstanden sind.
Was machen Sie in solchen Fällen?
Eine junge Mutter kommt z.B. mit zwei kleinen Kindern, die furchtbar erkältet sind. Ich sage, die Kinder brauchen Socken und Schuhen, Schal und Mütze, auf so etwas achten sie oft gar nicht. Ich sage auch, welche Tee sie trinken sollten. Aber manchmal müssen sie dringend zu jemandem, der in einer Praxis arbeitet und dann vermittele ich Termine.
Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit mit der von früher als Frauenärztin?
Erstens biete ich nur einmal in der Woche eine Sprechstunde an. Da kommen kleine und große Kinder, junge und alte Frauen, auch Männer. Ich habe noch nie Männer behandelt. Ich muss medizinisch ein bisschen dazu lernen natürlich.
Lassen sich die Männer von Frauen behandeln?
Da ich ein bisschen älter bin und grauhaarig, bin ich schon eine Autorität für sie. Sie akzeptieren mich, obwohl sie fast alle Muslime sind und ein anderes Frauenbild haben. Und das macht sich bemerkbar.
Gibt es spezielle Probleme bei den Frauen?
Wenn Frauen schwanger sind oder die erste Zeit nach der Geburt erleben, ist es für sie sehr schwierig. Es gibt so viele Umstellungen, körperlich, seelisch und psychisch. Diese Frauen brauchen eine besondere Betreuung und die bekommen sie nicht.
Sie werden materiell gut versorgt, mit Windeln, Kleidern, auch medizinisch. Aber sie sind weit von der Heimat, wissen nicht immer, ob der Ehemann oder der Rest der Familie noch am Leben sind. Sie haben oft keinen Ansprechpartner. Geplant ist deshalb ein Haus einzurichten, nur für Frauen, die schwanger sind oder die ganz kleine Kinder haben. Ich würde gerne da arbeiten.
Welche Sprache sprechen Sie mit den Flüchtlingen?
Ich arbeite mit einem syrischen Kollegen, der ist Arzt und Orthopäde. Er darf noch nicht hier selbstständig arbeiten, ihm fehlt noch die Approbation, das heißt die Anerkennung seines Diploms. Er spricht noch nicht fließend Deutsch, kann aber recht gut English. Er spricht Arabisch und das ist natürlich eine große Hilfe. Dazu hat er ein medizinisches Wissen. Es kommen aber auch Menschen aus Afghanistan, die sprechen kein Arabisch sondern Farsi, eine Sprache, die auch in Iran gesprochen wird. Manchmal kommt jemand, der Englisch in Farsi übersetzen kann. Also irgendwie kriegen wir es fast immer hin.
Geht Ihre Arbeit manchmal über die medizinische Untersuchung hinaus?
Das ist schwierig, weil ich nicht gut kommunizieren kann. Sie sind auch nicht daran gewöhnt, mit völlig Fremden über Ängste zu sprechen. Sie werden untereinander oder in der Familie sicherlich darüber sprechen.
Und traumatisierte Menschen sind erst nach Monaten überhaupt in der Lage, über ihr Trauma zu sprechen. Wenn wir aber das Gefühl haben, dass jemand gar nicht klar kommt, schicken wir ihn zu einem psycho-therapeutischen Dienst.
Und was motiviert Sie, sich für Flüchtlinge zu engagieren?
Es war klar, wenn ich nicht mehr arbeiten würde, dass ich anderen helfen will. Ich dachte daran, vielleicht alte Menschen zu betreuen. Aber mit den Flüchtlingen fügte es sich gut.
Machen Sie noch andere Sachen im Flüchtlingslager?
Sachen sammeln, wie zum Beispiel Schuhe. Eine Sozialarbeiterin sagte, ein älterer syrischer Mann hat Schuhgröße 47 und unter den Schuhspenden finden sich keine von dieser Größe. Ich sammle also Schuhe und suche auch nach ganz großen. Ähnlich ist es mit Kleidern für eine übergewichtige syrische Frau. In der Kleiderkammer passt einfach nichts, dann habe ich eine übergewichtige Freundin gefragt und sie kam mit einer Tasche voller Sachen.
Oder ich helfe durch Kontakte. Bei der Wohnungssuche oder wenn es ein konkretes Problem gibt, dann kümmere ich mich drum. Ansonsten mache ich nichts.
Bekommen Sie etwas zurück von Ihrem Engagement dort?
Die meisten Patienten gehen nach der Untersuchung lächelnd raus, das ist sehr schön. Und manchmal habe ich das Gefühl, ich konnte wirklich helfen. Nicht immer. Manchmal wollen sie nur bestätigt haben, dass es nichts Schlimmes ist. Dann muss ich nur in den Hals oder in die Ohren des Kindes gucken. Die Leute sind schon sehr dankbar.
Wie reagiert Ihr persönliches Umfeld auf Ihr Engagement?
Alle finden es toll. Und ich bin nicht die einzige, die das macht. Ich kenne sehr nette Leute, die kann ich ansprechen, du, wir brauchen das und das, wie sieht es aus. Ihr habt zum Beispiel Schulsachen gegeben, die Flüchtlingskinder haben sich riesig gefreut. Denn sie gehen sonst mit einer Plastiktüte zur Schule, sie haben gar nichts und unterscheiden sich sofort von den anderen. Das ist wichtig, dass sie mit dem Nötigsten wie Schultaschen oder Rucksäcken, Heften, Stiften, Mäppchen… ausgestattet werden.
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