Radeln ohne Alter
Radeln ohne Alter
Vielleicht ist euch bei einem Spaziergang in Berlin schon mal ein seltsames Fahrrad aufgefallen. Vielleicht saß vorne auch eine ältere Dame, die fröhlich winkte.
Wenn ja, dann seid ihr einem Gefährt der Initiative Radeln ohne Alter (RoA) begegnet. Diese Initiative, organisiert von dem Dokumentarfilmer Calle Overweg, fährt Menschen mit einer Fahrradrikscha durch die Gegend, die geistig oder körperlich nicht mehr in der Lage sind, selbst Rad zu fahren.
Rikscha fahren für Senioren in Berlin
Erfunden hat Calle dieses Konzept nicht, die Idee stammt aus Kopenhagen. Ursprünglich wollte Calle einen Dokumentarfilm drehen. Bei der Recherche stieß er auf ein Youtube-Video, in dem der Däne Ole Kassow von seinem Konzept berichtete, das in Dänemark schon äußerst erfolgreich ist. Calle war so begeistert, dass er beschloss, so etwas auch in Berlin anzubieten.
Seine erste Rikscha stellte ihm Gaya Schütze zur Verfügung, die damit ihren demenzkranken Vater in Berlin herumgefahren hatte. Seitdem bieten Calle und andere Freiwillige den Bewohnern eines Seniorenzentrums in Berlin Schöneberg ein- bis zweistündige Spazierfahrten an. Meistens geht es durch den Gleisdreieck Park, denn von dort aus ist es einfach, die ganze Stadt zu erreichen. Manchmal haben die Fahrgäste auch ein bestimmtes Ziel. Calle erzählt von einer älteren Dame die unbedingt noch einmal das Brandenburger Tor sehen wollte, doch eigentlich gelte: „Der Weg ist das Ziel”.
Ein Erlebnis für Fahrer und Fahrgast
Die Bauart der Rikscha eignet sich für das Konzept besonders gut. Der Fahrer sitzt hinter dem Passagier, so kann er sich problemlos mit ihm unterhalten. Das Erleben der Umgebung sei für den Fahrgast ein anderes als in einem Auto oder im Rollstuhl, erklärt Calle: „Man hat ein bestimmtes Gefühl der Freiheit der Bewegung, obwohl man sich nicht bewegen kann, man sieht viel, und man ist dabei.“ Viele, gerade auch geistig eingeschränkte Menschen hätten ein Kontaktbedürfnis. „Es gibt Fahrten, in denen man komplette Lebensgeschichten erfährt. Ich hatte neulich eine 94-Jährige Frau, die war nur noch Haut und Knochen, aber sie krähte die ganze Zeit fröhlich herum „die Oma kommt!“. Sie grüßte die Kinder, fand alles schön. Die war so gut drauf, obwohl sie davor den ganzen Tag im Bett gelegen hat.“
Ein Bewohner des Seniorenheims berichtet: „Wenn man nicht so beweglich ist wie ich, dann ist es schön, dass man raus kann unter die Menschen. Ich finde es gut, dass man dazugehört.“
Ein erfolgreiches Projekt macht Schule
Der Gedankenaustausch zwischen Alt und Jung kann für Fahrgast und Fahrer gleichermaßen interessant sein. Manchmal erfährt man während einer Tour eine ganze Lebensgeschichte.
„Es gibt einen Austausch, der sonst nicht stattfinden würde, sagt Calle Overweg, weil diese Leute gar nicht auf die Idee kommen würden, sich eine Rikscha zu bestellen. Man kann unsere Fahrten nur geschenkt kriegen. Die Leute, die die bekommen, sollen dafür nicht zahlen und die Fahrer dafür nichts kriegen. Wir finanzieren die Arbeit des Vereins durch Spenden.
Mittlerweile gibt es auch eine zweite Rikscha, in einem Altersheim in Berlin-Wedding. Allerdings sucht die Initiative dringend noch weitere Freiwillige, um ihr Netz auszubauen. Calles Vision sind mindestens 50 Fahrräder in Berlin. Dafür braucht man aber neben der Finanzierung für die Rikschas auch eine Menge aktiver Freiwilliger. Vor allem Schüler sollen für das Projekt begeistert werden. Ab dem Alter von 15 oder 16 Jahren ist man in der Lage, so eine Rikscha zu lenken.
Die Jugendreporter vom Bösen Wolf sind begeistert dabei
Wir haben das selber getestet. Emil, 17, warnt vor, man müsse davon ausgehen, dass es anders sei, als mit einem normalen Fahrrad zu fahren: „Am Anfang ist es nicht ganz einfach gewesen zu steuern.“ Beim Versuch zu wenden ist Emil erstmal gegen eine Mülltonne gefahren! Ohne Folgen zum Glück. „Aber wenn man sich daran gewöhnt hat macht es sehr viel Spaß, sowohl das Fahren als auch das gefahren werden“. Für Zoé, 16 Jahre alt, ist es dagegen viel einfacher gewesen, als sie sich das vorgestellt hatte.
Letztlich profitiert der Fahrer genauso sehr wie der Fahrgast. Denn er bleibt durch die Fahrten nicht nur fit und in Bewegung, sondern kriegt auch ein positives Gefühl zurück. Davon berichtet Calle: „Wenn man das macht, kriegt man sehr gute Laune, denn man löst so eine Dankbarkeit aus, das macht sehr viel Spaß. Man erlebt sich als extrem effektiv. Man tut was, wo man sich nicht fragt, ist das sinnvoll”.
Wer mitmachen möchte, kann das ganz einfach machen: auf der Webseite der Initiative kann man sich problemlos für ein zwei-stündiges Training anmelden, das in der Regel am Samstag stattfindet.
Weitere Informationen:
Radeln ohne Alter - Das Recht auf Wind im Haar
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