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Man muss auf jede Situation vorbereitet sein

  

  

Ein Interview der Kinderreporter mit Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich


 

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Bei der Überflutung redet man die ganze Zeit von den Menschen, die gerettet werden müssen. Aber wird eigentlich auch den Tieren geholfen?

Vor Ort wird angeschaut, wo Hilfe notwendig ist. Der Landrat, der in einem Landkreis gewählt ist, bestimmt, welche Einsatzkräfte wohin kommen. Und wenn man in einem Bereich Tiere und Bauernhöfe hat, versucht man natürlich auch die Tiere rauszuholen. Die Reihenfolge ist immer: die Menschen zuerst und dann, wenn es geht, auch die Tiere.

Sind Sie selbst zuhause im Falle einer Überschwemmung oder einer anderen Katastrophe ausgerüstet?

Ich wohne am Hang, also in einem Gebiet, wo man nicht davon ausgeht, dass es eine Überschwemmung gibt. Ich habe deshalb keine besonderen Vorkehrungen getroffen. Aber ganz in der Nähe ist ein Stausee und alle Leute, die da leben, sind natürlich mit Pumpen und was man alles so braucht ausgestattet. Denn je näher man an einem Fluss wohnt, umso wahrscheinlicher ist es, dass man mal irgendwann eine Pumpe benötigt und sagt, die kann man vielleicht mal brauchen.

 

Wir haben gelesen, dass jede Familie einen Notfallkoffer in einer Ecke aufbewahren soll. Ist das nicht ein bisschen verstörend für ein Kind,immer diese Bedrohung vor Augen zu haben?

Das ist immer so eine Sache. Auf der einen Seite muss man den Bürgern natürlich sagen, „Es kann alles Mögliche passieren, und ihr müsst euch vorbereiten“. Auf der anderenSeite will man natürlich nicht, dass die Leute unnötig Angst haben. Man darf nie in die eine oder andere Richtung übertreiben.

 

Wie denn?


Wichtig ist, dass jeder sich überlegt, was wäredenn, wenn ich in so eine Situation käme. Vielleicht irgendwo im Urlaub: Plötzlich komme ich in so eine Lage, dann weiß ich, was ich zu machen habe.
Und wenn man jetzt in die Flutgebiete geht, sieht man, wie die Leute, die Überschwemmungen kennen, viel ruhiger sind. Sie wissen, erstens kommt immer Hilfe, zweitens am Ende wird alles gut. Und drittens habe ich alles, was ich im Vorfeld machen konnte, gemacht. Dann wenn es so ist, beruhigt es einen wieder.

Haben Sie schon selber eine Katastrophe erlebt?

Ja, ich habe früher lange in Bonn am Rhein gewohnt. Das Hochwasser am Rhein kenne ich aus fast jedem Jahr. Dann war meine schöne Strecke am Rhein, wo ich jeden Tag mit dem Fahrrad ins Büro gefahren bin, überschwemmt. Das war für die Leute natürlich ganz fürchterlich. Wenn der Keller voll läuft und dann das schöne Sofa, das man als Gästebett für die Tante Frida neu gekauft hat, mit Schlamm überdeckt ist, das ist natürlich nicht lustig. Aber Gott sei Dank sind uns ansonsten Katastrophen erspart geblieben.

Warum gibt es bei Stromausfall keine anderen Energiequellen, so wie im Krankenhaus? Wenn da der Strom ausfällt, gibt es doch Stromaggregate, warum ist es nicht auch so in Wohnhäusern?

Das macht man eben in Krankenhäusern, also dort, wo es besonders notwendig ist. Zum Beispiel liegt jemand auf dem Operationstisch und da darf natürlich das Licht nicht ausgehen. Ansonsten gibt es immermehrBetriebe, die auch Notstromaggregate haben, diemitDieselbetrieben werden. In einem normnalen Privathaushalt kann man auch mal mit zwei bis drei Stunden Stromausfall leben. Das Hauptproblem sind dann meistens die Tiefkühltruhen und Gefrierschränke. Da kommt dann nicht nur die Tiefkühlpizza, aber auch die Entenbrust etwas aufgeweicht entgegen, die muss man dann schnell braten, wenn der Strom wieder da ist. Aber das ist immer so eine Abwägung. Dort wo es besonders notwendig ist, muss man sich so ein Aggregat zulegen. Es kostet natürlich auch Geld. Wenn es aber fünf Jahre herum steht, keiner hat jemals ausprobiert und wenn man es braucht funktioniert es nicht, ist das auch keine Lösung.


Wie früh kann man so eine Katastrophe vorhersagen?

Das ist ganz schwierig. Wir haben sehr viele, sehr intelligente Messsysteme, wo Pegel von Zuläufen, von kleinen Bächen, die in größere Flüsse münden, berechnet werden. Aber wenn der Regen losgeht, dann kann es oft in wenigen Stunden so weit sein und dann muss man sehr schnell handeln. Deshalb ist es sehr schwer vorauszuberechnen. Ich hab das jetzt in Sachsen miterlebt. Alle zwei Stunden gab es eine andere Wetterlage. Einmal hieß es Warnung vor Starkregen, zwei Stunden später wurde die Warnung zurückgenommen, weil es auch sehr schwierig ist, die meteorologischen Bedingungen gerade in Mittelgebirgenvorherzusagen. Man kann in etwa ausrechnen, wann die Hauptwelle kommt, aber voraussehbar ist es immer sehr, sehr schwierig.



Müssen Sie immer zu den Unglücksorten hinfahren?

Wir haben unser Lage- und Meldezentrum, wo alle Informationen zusammenlaufen. Aber es ist besser, wenn man das Geschehen vor Ort gesehen hat und nicht nur in irgendeinem Vermerk liest.

Wenn das Wasser weg ist, ist die Erde z.B. auf den Feldern besser oder schlechter?

Also in Mesopotamien und im alten Ägypten war die Erde immer besser, die Überschwemmung hat immer guten Erdboden mitgebracht, aber das gilt heutzutage nicht mehr. Es ist für Bauern schon eine schwierige Sache, wenn sie sehen, wie ihre Felder überflutet werden und wie die ganze Ernte herrausschwemmt. Wir sind gestern über die Elbe geflogen, die ist an ganz vielen Stellen unglaublich breit. Man sieht überall Felder, die bepflanzt sind , die ganze Ernte ist kaputt, und das ist für die Bauern schon ein schwerer Schlag.



Und der Verlust, also die ganze Ernte, die sie jetzt nicht haben, bekommen siedafür eineEntschädigung?

 

Man muss dann überlegen, wie man den Bauern helfen kann, ob sie bestimmte verbilligte Kredite bekommen, oder ob sie Hilfszahlungen bekommen. Man will, dass die Bauern auch weiter in diesem Gebiet existieren können. Viele Bauern, die nicht in den Überschwemmungsgebieten sind, sagen: wenn jetzt die Sonne kommt und die Erde austrocknet, dann ist vielleicht die Ernte noch zu retten. Aber dort, wo die Erde weggeschwemmt ist und die Pflanzen gleich mit, da ist natürlich alles kaputt.




Gab es in Deutschland auch andere wetterbedingte Katastrophen?



Man muss immer mit allem rechnen: es gibt Sturmschäden, z.B. vor ein paar Jahren gab es einen großen Sturm. Er kam quer durch Deutschland über die Wälder und hat viele Bäume umgeknickt. Dann sind auch die Straßen gesperrt und nirgends können die Rettungskräfte mehr durch. Und das kann immer wieder geschehen. Man muss versuchen im Voraus schon einen Plan zu machen, was passiert, wenn ein solcher Fall eintritt. Und das ist es, was unser Bundesamt für Bevölkerungsschutz macht.



Interview: Leopold, Chloé, Jeanne, Julienne und Gaïa

Text, Zeichnungen und Fotos : © Böser Wolf - Juni 2013