Pfeil

Uns mit Rollis kann  nichts passieren...

Ein Interview mit den Rollstuhlfechterinnen

Zarife Imeri und Anna Kreissl

 

Die Bösen Wölfe trafen Zarife Imeri und Anna Kreissl, Rollstuhlfechterinen im Fechtverein Esslingen bei Stuttgart, sowie ihre Trainerin Ira Ziegler. Hier kannst du (fast) alles über Rollstuhlfechten erfahren!

   

Hier kannst du Spannendes über folgende Themen lesen:

1.  Wie alles begann >>>

      2.  Wie machen Sie das mit dem Fechten? >>>

                 3.  Training >>>

                          4.  Blaue Flecken und Blasen >>>

 5.   Meine Behinderung hat einen Namen... >>>

      6.  Paralympics >>>

          7.  Wir fechten im Rollstuhl mit >>>

             8.  Fragen an die Trainerin >>>

                

9.  Was ist Florett, was ist Degen... >>>

Alle Fotos: © Grand méchant loup | Böser Wolf

Wie alles begann...

Wie sind Sie auf die Idee gekommen zu fechten?

Zarife: Ich war früher auf einer Körperbehindertenschule in Esslingen und dort wurde Fechten als Freizeitsport angeboten. Ich habe zum Spaß angefangen, und dann bin ich dabei geblieben...

Anna:Während einer Jugendfreizeit wurde Rollstuhlfechten angeboten, ich habe es ausprobiert und bin dabei geblieben.

Seit wann gibt es Rollstuhlfechten?

Zarife: Schon sehr lange. Seit 1962, also über 40 Jahre.

 

Wie machen Sie das mit dem Fechten?

ZarifeWie ficht man im Rollstuhl? Nur mit einer Hand?

Zarife: Nee, nee. Nee, nee. Unsere Rollstühle werden in einem "Fechtgestell", das aus einer Verbindungsschiene und zwei Plattformen besteht, festgeschnallt. Der Abstand zwischen den beiden Fechtern wird zu Beginn fest eingestellt. Die Fechter sind mit einer elektrischen Trefferanzeige verbunden. Ich fechte mit Florett und Degen.

Mit welcher Behinderung kann man Rollstuhlfechten?

Zarife:Es gibt Fechter, die sind einbeinig, spastisch, querschnittsgelähmt, wirklich alle Arten. Es muss eine dauerhafte Einschränkung des Bewegungsapparats vorliegen.

Kann man gegen jemanden fechten, der ganz andere Behinderungen hat?

Zarife: Bei uns ist es so, wir sind nach Behinderung in Wettkampfklassen eingestuft. Es gibt Klasse A, B, C. Anna und ich sind in der Klasse A, weil wir vom Oberkörper her ziemlich fit sind. Klasse B sind die, die keine Rumpfmuskulatur haben. Und bei Klasse C können sie nicht vollständig ihre Arme und Hände bewegen. Manche sind dann so schwach, dass sie ihre Waffe nicht ohne Hilfsmittel halten können. Im Training können wir aber immer alle

gegen- und miteinander fechten.                                                          Zeichung: Anastasia, Grand méchant loup | Böser Wolf

Ist Fechten unter Rollstuhlfahrern bekannt?          

Zarife: Unter Rollstuhlfahrern relativ, aber für andere  nicht so.

Der bekannteste Sport bei Rollstuhlfahrern ist Basketball. Es gibt nur wenige Vereine, in denen Rollstuhlfechten angeboten wird. Bei den Leistungssportlern sind wir zur Zeit vier Frauen und zwei Männer.

Was bedeutet genau Leistungssportler?

Zarife: Das sind die, die entweder in der Nationalmannschaft fechten und auf internationale Wettkämpfe gehen, um für Deutschland zu fechten.

 

Training

Wie oft trainieren Sie? Berufssportler müssen immer viel trainieren...

Zarife: Ja, das stimmt für Berufssportler, die 8 Stunden pro Tag trainieren. Aber wir können nicht vom Sport leben, das ist das Problem. Also trainieren wir ein bis zweimal die Woche.

Was machen Sie sonst?

Zarife: Ich bin Azubi bei der Kreissparkasse.

Anna: Ich arbeite in einem medizinischen Labor.

Was wäre das ideale Alter, um anzufangen?

Zarife: Es gibt eigentlich keins. Ich habe mit 14 angefangen, ich kenne eine, die mit 21 angefangen hat. Man muss ein bisschen Talent haben. Bei den Fußfechtern ist es anders: Es ist besser, wenn sie noch klein sind, mit 6, 7 oder 8.

Fechten Männer und Frauen gemeinsam?

Zarife: Nein, im Wettkampf fechten wir getrennt,

aber wir trainieren natürlich gemeinsam.                                      ->  Gemeinsames Training im Rollstuhl mit Zarife und Anna

 

Blaue Flecken und Blasen

                                                  

Kann man sich im Rollstuhl verletzen?

Zarife: Ja. Wir hatten eine Fechterin, die in Sydney ziemlich unglücklich aus dem Rolli gefallen ist und sich dabei den Arm gebrochen hat. Ich bin auch einmal aus dem Rolli rausgeknallt. Aber sonst ist mir nie etwas passiert, nur einige blaue Flecken.

Verletzt man sich eher mehr, wenn man im Rollstuhl ist?

Zarife: Beim Fußfechten gibt es die Gefahr, dass man sich ein Bein umknickt oder stolpert. Uns mit Rollis kann nichts passieren, wenn wir ordentlich fechten.

Haben Sie Fechthandschuhe?

Zarife: An der Waffenhand habe ich immer einen Fechthandschuh an. An der Ausfallhand trage ich manchmal welche, manchmal nicht. Andere ziehen an der waffenfreien Hand Fahrradhandschuhe an.

Anna: Wie ich zum Beispiel. Weil ich relativ schnell Blasen kriege und sie vereitern können.

Meine Behinderung hat einen Namen...

Sitzen Sie immer im Rollstuhl?

Zarife: Nein, wir sind nicht 100% an den Rolli gefesselt. Zu Hause wohne ich im 2. Stock, und ich laufe die Treppe hoch. Damit trainiere ich meine Beinmuskulatur. Ich bin froh, dass ich noch laufen kann.

Ist Ihre Behinderung von Geburt an?

Zarife: Sie hat einen Namen, spastische Diplegie.

Ich habe es spastisch in den Beinen. Es ist nicht so stark. Vor 2 Jahren hatte ich eine OP, ich lag ein halbes Jahr im Krankenhaus. Und jetzt laufe ich etwas besser.

Konnten Sie in der Zeit nicht fechten?

Zarife: Ja, ein Jahr lang. Ich hatte ein bisschen Startschwierigkeiten, aber ich habe eine nette Trainerin.

Haben Sie immer viel Sport gemacht?

Zarife: Ja, immer. Früher habe ich Rollstuhlhockey gemacht. Aber beim Fechten bin ich wirklich hängen geblieben. Das ist auch, was ich mag.

 

-> Es wird ernst: wir sind jetzt dran mit Fechten im Rollstuhl. Zarife trifft David, aber er kämpft weiter.

 

Paralympics (Olympische Spiele für Menschen mit Behinderungen)

Würden Sie gern bei der Olympiade dabei sein?

Zarife: Ich träume immer noch davon, an den Paralympics teilzunehmen. Ich war damals 21, als ich in Athen war. Es war gigantisch. Schon das olympische Dorf, da zu wohnen, die anderen Sportler kennenzulernen, und andere Sportarten. Und alles drum herum: die Eröffnungsfeier, die Leute, die einem zujubeln, es war sehr aufregend.

Haben Sie einen Sponsor?

Zarife: Ja, ich habe sogar drei.

Gibt es eine extra Qualifikation für die Paralympics?

Zarife: Ja, wir haben auch eine Qualifikationsquote. Bei jedem Weltcup kriegen wir Punkte, so dass es besser ist, wenn wir viele Weltcups besuchen. Und bei der Qualifikation müssen wir Frauen mindestens einmal bei einem Weltcup unter den sechs Besten sein und bei den Männern unter den besten acht. Wir haben auch eine Weltrangliste.                               

                                                                                          -> Zarife (links) ficht gegen Sidney (rechts)

Und wo stehen Sie?                              

Zarife: Nummer elf. 

Gibt es ein Land, das Sie besonders fürchten?

Zarife: Ja, China. Die Asiaten sind unsere größten Konkurrenten.

Und die Franzosen? Sie haben beim Fechten eine lange Tradition.

Zarife: Ja, auch beim Rollstuhlfechten. Die Franzosen und die Asiaten haben die größten Mannschaften. In Frankreich ist das Rollstuhlfechten viel mehr verbreitet als in Deutschland.

Anna: Beim Fechten benutzt man auch immer noch

französische Begriffe!

 

Vielen Dank für das Interview!

   

 

 

Wir fechten im Rollstuhl mit: unsere Eindrücke

Anastasia: Es war komisch, Sport zu treiben und dabei zu sitzen. Durch das Sitzen hatte man auch eine andere Sichtweise. Man hat sich anders gefühlt, weil die anderen standen und uns so angeguckt haben, als

ob wir behindert wären. Es muss schwer sein, so zu leben und diesen Blick ständig zu ertragen. Auch sich im Rollstuhl zu bewegen ist schwer, man kommt nicht so schnell voran, wie man will. Es war aber unglaublich interessant und hat Spaß gemacht.

Sidney: Es ist ein anderes Fechten als sonst, weil es keine Beinarbeit gibt. Und weil die Arme mehr arbeiten müssen, ist es anstrengend. Auch mit dem Lenken des Rollstuhls ist es schwer, ich hätte es     nicht gedacht.

David: Es war eine einmalige Erfahrung, dadurch habe ich viel verstanden. Außerdem war Zarife so gut, ich hatte keine Chance!

Alina: Die Übungen haben Spaß gemacht, das Lenken des Rollstuhls ist ein bisschen wie beim Autoscooter, es sind auch andere Rollstühle als normale, sie sind leichter.

  -> Die Bösen Wölfe startbereit

Fragen an die Trainerin, Ira Ziegler

Ira Ziegler, die Trainerin von Zarife und Anna, kam noch während des Gesprächs zu uns. Sie ist selbst "Fußgänger", so nennt sie die Fußfechter. Wir haben ihr noch drei Fragen gestellt:

Gibt es einen bekannten Rollstuhlfechter in Deutschland?

Wilfried Lipinski. Er hat viele Medaillen beim Fechten geholt. 2007 hat er die deutschen Einzelmeisterschaften in Oldenburg organisiert. Und da hat er etwas ganz Tolles gemacht. Er hat zwei seiner silbernen Medaillen von den Paralympics in Sydney an Nachwuchssportler verschenkt, um sie anzuspornen, damit sie sich anstrengen, um selber zu den Paralympics zu gehen. Ich fand das absolut klasse, weil ich nicht weiß, ob ich mich von so einem Edelstück trennen könnte.

 

Gibt es Unterschiede zum Fechten ohne Rollstuhl?

Ja. Das Reglement ist grundsätzlich gleich, aber die Trefferfläche ist nur oberhalb der Gürtellinie und bei den Waffen. Die Fußfechter spezialisieren sich auf eine Hauptwaffe. Beim Rollstuhlfechten ist es anders: man muss sich zwei Waffen aussuchen.

 

Fechten Frauen schon seit langem?

Erstmals 1924 wurde Frauen-Fechten als olympische Disziplin eingeführt. Helene Mayer gewann dann 1928 eine Goldmedaille im Florett-Einzel bei den Olympischen Spielen. Damals wurde mit knöchellangen Röcken gefochten. Erst seit 1990 dürfen Frauen mit Degen fechten. Das muss man sich vorstellen: 50 Jahre hat es gebraucht, bis eine Frau etwas anderes als Florett fechten durfte! Ähnlich ist es mit den Rollidamen. Seit Januar 2009 wird jetzt auch Damensäbel international gefochten, ist also ganz neu. Anna hat sich schon geoutet und bei der deutschen Meisterschaft 2008 mit dem Säbel gefochten, und sie hat es supercool gemacht!

 

Florett, Degen und Säbel

Florett

Es ist eine Stichwaffe, d.h. eine Stoßwaffe.

Trefferfläche: der gesamte Oberkörper, d.h. vom Hals bis zum Hüftbereich samt Rücken. Die Arme, die Beine und der Kopf sind davon ausgeschlossen. Die Trefferfläche ist bei Rollis und Fußgängern gleich.

Gewicht: 500 g, Länge: 110 cm.

Degen

Es ist auch eine Stichwaffe.

Trefferfläche: der ganze Körper, also vom Kopf bis zu den Füßen und bis hin zu den Händen. Bei den Rollis darf nur oberhalb der Gürtellinie getroffen weren, also keine Beine und Füße.

Gewicht: 770 g, Länge: 110 cm.

Florett, Degen, Säbel auf dem T-Shirt von Zarife

Säbel

Es ist sowohl eine Hieb- als auch eine Stoßwaffe, d.h. ein Treffer kann mit der Klingenseite oder mit der Klingenspitze erzielt werden.

Trefferfläche: der gesamte Oberkörper inklusive Arme und Kopf, ist also bei Fussgängern und Rollis gleich.

Gewicht: maximal 500 g

Länge: 105 cm

Vielen Dank an die Trainierin, Frau Ziegler, für die tolle Begegnung!

 

Interview: Alina, Anastasia, David und Sidney
Text & Photos: © Grand méchant loup | Böser Wolf - | www.boeser-wolf.schule.de